79 km durchs Fränkische Seenland- der SUT am 27.04.2019

79 km durchs Fränkische Seenland- der SUT am 27.04.2019

Der 146 km Seeländer Ultra Trail 2019 sollte mein erste Lauf über 100 km werden. Ich war entsprechend hoch motiviert und habe mich wochenlang darauf vorbereitet. Am Wettkampftag kam ich nach 79 km dann aber an einen Punkt mentaler und körperlicher Erschöpfung, den ich aus eigener Kraft nicht überwinden konnte und musste aus dem Wettkampf ausscheiden.

Das wäre die grobe Bilanz eines Tages, der es auf jeden Fall verdient, detailliert beschrieben zu werden, was ich im Folgenden tun möchte.

Alles begann am Abend des 11. Januar 2019. Die Tage vorher hatten Valentin und ich schon hin-und herüberlegt, an welchem längeren Lauf wir als Vorbereitung auf Biel am letzten Aprilwochenende teilnehmen könnten (da hatte Valentin sturmfrei und ein paar Tage Zeit). Es hat aber alles nicht so richtig gerockt oder war zu teuer oder nicht mit dem Auto erreichbar, ja und dann schneite plötzlich sein Kommentar via Whatsapp herein: Oh gugge mol das isch doch moln schicker Ultra un die hen gerad no zwöi Plätz frei! Ups sorry der is jo 146km…

10min und viele Lachsmilies später waren wir beide angemeldet, noch am gleichen Abend zahlten wir die Startgebühr ein und ich buchte eine günstige Ferienwohnung in Gunzenhausen. Das grosse Abenteuer hatte begonnen.

Gut 3 Monate nach diesem schicksalsträchtigen Abend fuhren wir beide gut gelaunt bei strömendem Regen im Auto Richtung Nürnberg. Wir wussten, dass unsere Vorbreitung diesmal nicht ideal gewesen war. Ich hatte es trotz Trainingsplan manchmal schleifen lassen. Den ganzen April war ich dann sogar fast gar nicht mehr gerannt wegen Schmerzen in der rechten Ferse (ja genau, nicht mehr in der linken…). Bei Valentin sahs in Sachen Vorbereitung sogar noch schlimmer aus und ich machte mir ernsthaft Sorgen, dass seine Kondition mangels Trainingskilometern für diese extreme Strecke nicht ausreichen würde.

Aber egal, wir gingen es trotzdem an. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Am 27.04.2019 früh um 7 Uhr stellten wir uns nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf und einem für die Läufer bereitgestellten köstlichen und reichhaltigen Frühstück im Seehotel Langlau fröhlich und motiviert an den Start des 1. Seenländer Ultra Trails und los gings.

kurz vorm Start des SUT 2019

Im Pulk recht flott erstmal flach am Brombachsee entlang und immer den ca. aller 200m angebrachten kleinen Schildern des Wanderwegs „Seenländer“ entlang. Eigentlich sofort hatte ich die Idee, aus dem Finden der Schildli eine Art Wettkampf zu machen. Wer eines sah, machte „Meep!“ und krichte nen Punkt und ich versuchte, die Punkte zu zählen.

Was soll ich sagen, Valentin ist ein ganz grosser Meeper, ich konnte gar nicht so schnell mitzählen und so schmissen wir die Punktewertung über Bord und meepten aber trotzdem weiter. Das machte Spass und zwang uns zum Suchen nach den teilweise nicht einfach zu findenden Aufklebern und Schildern.

Trotzdem verliefen wir uns ein paar Male, einmal wars besonders anstrengend weil in der Mittagssonne (ich war in meiner Thermowäsche am Schwitzen und dadurch recht k.o.) als wir einen Pfeil an einem der Schilder übersahen. Ein anderes Mal ca. 12:30 Uhr bei strömenden Regen und über 30 gelaufenen Kilometern in Laffenau. Seit einiger Zeit war kein Schild mehr gekommen, wir wussten, irgenwas stimmte nicht und stellten uns kurz unter das Vordach eines Einfamilienhauses, um im Trockenen die Lage zu peilen. Schwupps ging die Tür auf und eine freundliche Laffenauerin strahlte uns an und fragte fröhlich, ob wir nicht reinkommen und nen Kaffee mit ihr trinken wollten. Haben wir dankend abgelehnt, weil wir ja mitten im Wettkampf standen, aber wir waren geflasht von soviel spontaner Gastfreundschaft. Zusammen fanden wir aber den Fehler in unserer Route, wir hatten einen Abzweig nach links im Dorf verpasst.

Der Regen am Mittag tat ehrlich gut. Vorher war es oft viel wärmer und sonniger gewesen, als erwartet. Ab 10 Uhr und nach ca. 20 gelaufenen Kilometern fühlte ich mich immer wieder überhitzt und das genau in der Phase des Laufes (20-35 km), in der ich am meisten zu kämpfen habe. Ich musste das Tempo stark drosseln, damit mir nicht schlecht wurde und Valentin (der mit kurzen Laufhosen und viel leichterer Bekleidung fröhlich vorneweg lief) immer wieder sagen, dass ich nicht so schnell könne wie er.

Dazu kamen ab km 20 dann noch Schmerzen an der Oberseite vom rechten Fuss. Die gewohnten Fersenschmerzen traten dagegen völlig in den Hintergrund. Durch diese Beschwerden war jedes Marschieren sehr schmerzhaft. Langsames Joggen war ok, nur nicht zu schnell, dann wurd mir ja wieder übel.

Momentaufnachme nach 43 km am Gasthof Fuchsmühle um 13:20 Uhr: Valentin hatte zwar schwere Beine, war aber insgesamt gut zwäg und hatte noch viel Energie, ich bekam (es war wieder warm!) eine richtig heftige Übelkeitskrise. So heftig, dass nichts mehr ging.

Beim Pfäffikersee Ultra Run hab ich im Januar nach 44 km und 5 Runden um den See genauso erschöpft auf dem Parkplatz gesessen und dachte, das wars, die letzte Runde schaffst Du nicht mehr. Was in der Situation wirklich geholfen hatte, war Coffein in Form von einem Redbull. Das hat dem Kreislauf gut getan und mich direkt in ein Hoch karapultiert.

Der Gasthof Fuchsmühle hatte aber leider keine Energydrinks im Angebot. Was mich dann rettete, war eines meiner Gele, Geschmacksrichtung Mojito mit Coffein. Die Übelkeit wurde praktisch sofort besser und es ging die 5 km bis zum Checkpoint 4 konstant weiter. Die Pause dort baute mich wieder auf. Ich nahm ein weiteres Gel, trank Cola und ass eine Banane. Ausserdem entdeckte ich die Tüte Studentenfutter in meinem Proviant. Mein Körper weiss eigentlich immer recht gut, was er braucht und beim Anblick von Rosinen und Nüssli hatte ich ein gutes Gefühl während ich die hartgekochten Eier beim Verpflegungsposten nur anschauen musste und mir wurde wieder übel.

Das alles machte, dass es mir die nächsten ca. 5km richtig gut ging. Es tat nichts weh, die Temperaturen waren angenehm und ich war im Laufflow. Wir machten bei km 51 an einer grossen Schleuse halt und winkten den hunderten Passagieren eines grossen Ausflugsdampfers zu, liefen ein Stück den Rothsee entlang und waren dann bis km 54.5 auf gerader Strecke am Main-Donau-Kanal unterwegs. Mir gings super und ich hatte ein ausgeprägtes Hoch. Wir kamen wieder zum Ortseingang von Eckersmühlen (Checkpoint 4 und 5 wurden vom gleichen Posten betreut, als Läufer rannte man einfach eine 10 km Runde und kam wieder nach Eckersmühlen zurück) und ich freute mich zu früh, denn der Checkpoint kam und kam nicht. Der Weg zog sich obwohl wir ja schon im Ort waren noch ca. 4 km in die Länge. Mir wurde wieder zunehmend schlecht, ca. 1km vom Checkpoint gings mir so dreckig, dass ich wieder ein Gel brauchte, es war schlimm… So brauchten wir für die 10 km-Runde ganze 90min und erreichten den Checkpoint 5 ca. 15:45 Uhr (spät aber rechtzeitig vor der Deadline um 17 Uhr).

Ich ass Studentenfutter, trank Cola und ass eine Banane und mein Zustand besserte sich. Wir waren 59 km gelaufen und parat für die nächsten 12 km bis zum Checkpoint 6 bei 71 km.

Es ging jetzt vor allem durch wunderschöne Wälder und ich kam schon bald nach dem Verlassen von Eckersmühlen in ein wunderbares Hoch. Ja man kann sogar sagen, ich war einfach nur im Flow und high vom Laufen. Jenseits der 60 km vergass ich plötzlich, dass das Ganze ein Wettbewerb war. Nein, wir waren in Michis wunderschönem Ultra-Garten und durften darin herumtoben soviel wir wollten! Ich hatte Spass und fühlte mich leicht und frei. Das Rennen ging von alleine und nichts tat weh. Valentin gings nicht ganz so gut. Er hatte Beschwerden im rechten Knie und konnte öfters nur marschieren. Er wirkte niedergeschlagen und erschöpft. Als die Kraft nicht mehr zum Meepen (unser Spiel mit den Schildli des Seenländers) reichte, wusste ich: es war höchste Zeit für meine Geheimwaffe: die Crazy-Runners-Playlist. Ich hatte extra dafür ja einen Bluetooth Lautsprecher im Rennerrucksack.

Die Musik brachte die nötige Ablenkung und wir waren zwar langsam aber guter Dinge, es mit der Kombination Marschieren/ langsamem Joggen noch weit zu bringen.

So erreichten wir ca. 18 Uhr den Checkpoint 6 bei km 71, tankten dort auf und joggten genauso positiv eingestellt und mit Musik weiter. Das Wetter hielt und ich war immernoch im Laufflow. Die nächsten 6 km gings durch den Wald, gegen 18:45 Uhr kam oben in den Baumwipfeln ein Sturm auf und kurze Zeit später hat es einfach nurnoch geschüttet. Valentin und ich trugen Windjacken und wurden klatschnass. Ich hatte eigentlich noch eine wasserfeste Regenjacke dabei, liess sie aber zum Schutz der Elektronik (Handy, Powerbank) im Rucksack, da ich Angst vor einem erneuten Hitzestau durch die wasserdichte Jacke hatte. Für vorübergehende Schauer war die schnell trocknende Windjacke die bessere Wahl aber dieser starke Regen endete nicht und es wurde Abend und immer kälter. Wir beschlossen ca. bei km 76, beim nächsten Checkpoint auszusteigen und trafen gleich darauf einen unserer Mitstreiter (einen Läufer in unserem Alter mit Stöckern, dessen Namen ich leider vergessen habe), der auch aussteigen wollte. So ging es gemeinsam weiter. Meine Hände waren eiskalt und so hielt ich bei km 77.5 auf einem Feldweg an, um meine Laufhandschuhe anzuziehen. Die Männer liefen langsam weiter, um in Bewegung zu bleiben. Ich weiss noch, dass ich sie fast nicht mehr sah, aber meine Fingerhandschuhe immernoch nicht anhatte. Meine Hände schmerzten vor Kälte und waren nass und ich bekam die Handschuhe nur mit viel Mühe irgendwie schief übergezogen. Da ich schon so lange stand, begann ich nun auch am ganzen restlichen Körper zu frieren. Ich kramte verzweifelt (immernoch ungeschützt im strömenden kalten Regen) meine Erste-Hilfe-Kälteschutzdecke aus dem Rucksack und wickelte sie mir um und joggte so ganz langsam den Männern (die umgekehrt waren, um nach mir zu schauen) entgegen und kämpfte dabei mit Übelkeit und Schwäche. Ich war mental irgendwie beim Anziehen der Handschuhe zusammengebrochen.

Wir schleppten uns den Kilometer bis zum nächsten Ort (Oberbreitenlohe). Dort trennte sich die Dreiergruppe auf. Valentin und ich stellten uns kurz unter, damit ich das letzte Coffeingel zu mir nehmen konnte um die Übelkeit zu besiegen und starteten dann in Richtung Checkpoint 7. Es waren noch 5 km. Nach dem Gel ging es mir leicht besser aber im nächsten Ort (Unterbreitenlohe) wurde mir bewusst, dass es in dem langsamen Tempo noch 40 min dauern würde, bis wir den Checkpoint erreichen. 40 min durch den Wald im starken Regen und es wurde immer kälter. Ich überredete Valentin, einen Notruf abzusetzen und hier in Unerbreitenlohe auf Hilfe zu warten.

Zuerst stellten wir uns in einem Schopf unter. Valentin war stark unterkühlt und zitterte am ganzen Körper während er seine Rettungsdecke ausbreitete. Wir froren beide stark und beschlossen, im erstbesten Haus nachzufragen, ob wir uns einfach in den Flur setzen dürfen.

Der Hausherr muss sich nichts Gutes gedacht haben, als er die beiden goldigen Gestalten (wir hatten die Rettungsdecken um) vor seiner Haustür erblickte. Zögerlich öffnete er einen Spalt und meinte: „Wir kaufen nichts.“

Wir konnten ihn dann aber davon überzeugen, dass wir nichts Böses wollten und wirklich Hilfe brauchten und kurze Zeit später wurden wir von der im Erdgeschoss wohnenden Oma, dem etwas hilflos wirkenden Mann, der uns hereingelassen hatte, und seiner tatkräftigen Frau mit Hilfeleistungen überschüttet. Die Oma bestand zum Beispiel darauf, dass wir nicht auf der kalten Treppe sitzen durften und legte uns persönlich Arbeitsjacken unter. Uns wurden Decken umgehängt, Tee gekocht und sogar Wärmflaschen gereicht. Eine wahnsinnig nette Familie!

Nach ca. 30min holte uns Michi Snehotta der Organisator des Seenländers Ultras persönlich mit dem Auto ab und brachte uns zum Hotel zurück. Wir bekamen dort heisse Brühe und durften uns im Wirlpool im Wellnessbereich des Hotels aufwärmen. So kamen wir bald wieder etwas zu Kräften und waren mit dabei, als die ersten Finisher das Ziel erreichten.

Es gibt vieles, was mir an diesem Lauf gefallen hat. Ich war zum Beispiel absolut fasziniert von den wunderschönen Landschaftsbildern. Grossartig fand ich auch alles, was den Läufern von der Seite des Seehotels Langlau geboten wurde (Frühstücksbuffet, kostenlose Parkplätze, Verpflegung im Finisherbereich, Zugang zum Wellnessbereich nach dem Lauf). Der familiäre Rahmen (unter 40 Teilnehmer) der SUT-Premiere war schön und dass wir ja jetzt sozusagen SUT-Teilnehmer der ersten Stunde sind und auch die Ausstattung und nette Betreuung der Checkpoints (es gab schon ab km 36 Cola, Riegel, Bananen, u.v.m.). Der Einsatz, den das ganze OK-Team des Laufs am Wettkampftag zeigte, war der Wahnsinn.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich beim Seenländer Ultra Trail 3 grosse Probleme hatte:

  1. Schmerzen am rechten Fussgelenk. Die Sehne hatte sich entzündet, der Fuss ist heute 3 Tage nach dem Lauf schon wieder recht beweglich aber immernoch geschwollen.
  2. Übelkeit. Wahrscheinlich wegen Überhitzung durch die Thermowäsche
  3. Schwierigkeiten bei der Orientierung. Man folgt während der ganzen Strecke kleinen Schildern und Aufklebern im Abstand von 100 -200m

Ich habe mich heute für den SUT 2020 angemeldet und will diese 3 Probleme bis dahin in den Griff bekommen und den nächsten Seenländer Ultra Trail auf jeden Fall finishen.

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